摘要
Zusammenfassung Mykotoxine sind toxische Sekundärmetaboliten verschiedener Schimmelpilze. Aufgrund der weiten Verbreitung der Pilze kommen Mykotoxine ubiquitär in Lebens‐ und Futtermitteln vor und zählen zu den bedeutendsten natürlichen Schadstoffen in der menschlichen und tierischen Ernährung. Um den Verbraucher vor einer erhöhten Mykotoxin Exposition zu schützen, wurden auf europäischer Ebene gesetzliche Höchstgehalte für besonders relevante Mykotoxine und Lebensmittelgruppen festgelegt. Die gesetzlichen Vorgaben beziehen sich hierbei vorwiegend auf die jeweiligen freien Mykotoxine. Seit ein paar Jahren ist jedoch bekannt, dass die toxischen Pilzmetaboliten, auch „Eltem“‐Mykotoxine genannt nicht nur in freier Form nachgewiesen werden, sondern auch als sogenannte modifizierte Mykotoxine in Lebens‐ und Futtermitteln vorkommen können. Der Begriff der modifizierten Mykotoxine beschreibt hierbei jede Veränderung bzw. Modifikation der chemischen Grundstruktur von Mykotoxinen, entstanden durch chemische oder biologische Prozesse. Zu den Modifizierungen zählen Verknüpfungen zu anderen Molekülen wie Glucose und Sulfat, aber auch Abbau und Isomerisierung. Modifizierte Mykotoxine können in Pflanzen und Tieren sowie Pilzen gebildet werden, die für die Lebensmittel‐ und Futtermittelproduktion oder dessen Verarbeitung verwendet werden. Je nach Veränderung der Struktur resultieren bei den modifizierten Mykotoxinen unterschiedliche Eigenschaften, welche ebenfalls mit einer veränderten Toxizität einhergehen können. Da die modifizierten Mykotoxine immer häufiger in Lebens‐ und Futtermitteln nachgewiesen werden, können sie zur Gesamtexposition der Verbraucher beitragen. Allerdings sind die aktuell verfügbaren Daten über modifizierte Mykotoxine zu unvollständig, um das zusätzliche Gefährdungspotenzial sicher beurteilen zu können. Aus dem Grund hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority , EFSA) dazu aufgerufen, weitere Studien zu Vorkommen, Bioverfügbarkeit und Metabolismus von modifizierten Mykotoxinen durchzuführen. Hauptziel der vorliegenden Arbeit war es, den intestinalen Metabolismus von ausgewählten modifizierten Mykotoxinen zu untersuchen. Der strukturelle Schwerpunkt lag hierbei auf den Lebensmittelrelevanten Mykotoxin‐Glucosiden sowie einem Mykotoxin‐Sulfat. Insbesondere galt es die Frage zu klären, ob die Mykotoxin‐Konjugate im Rahmen des intestinalen Metabolismus in ihre toxischen “Eltem“‐Mykotoxine gespalten werden. Für die Durchführung der Experimente war es jedoch zunächst erforderlich Mykotoxin‐Glucoside herzustellen und zu isolieren, denn gegenwärtig ist ausschließlich das Mykotoxin‐Glucosid Deoxynivalenol‐3‐0‐ß‐Glucosid (DON3G) kommerziell zu erwerben. Aufgrund von mangelnden Methoden zur Herstellung von Mykotoxin‐Konjugaten ergab sich in der vorliegenden Arbeit ebenso das Ziel, Methoden zur biosynthetischen Herstellung von Mykotoxin‐Konjugaten zu entwickeln und/oder zu optimieren. Die Biosynthese sollte ausgehend vom jeweiligen freien “Eltem“‐Mykotoxin mit Hilfe von ausgewählten Mikroorganismen wie Pilzen, Hefen und Bakterien erfolgen. Zu Beginn erfolgte die Biosynthese von T‐2 toxin‐3‐0‐a‐Glucosid (T23G) in Anlehnung an eine bereits veröffentlichte Methode mit der Hefe Blastobotrys muscicola. Jedoch war es mit der Hefe nicht möglich auch andere Mykotoxin‐Konjugate herzustellen, denn Blastobotrys muscicola katalysiert ausschließlich die Glucosylierung von T‐2 toxin. Im Folgenden wurde der Schwerpunkt daher auf die biosynthetische Herstellung von Mykotoxin‐ Glucosiden durch die Pilzspezies Rhizopus oryzae sowie die Bakteriengattung Streptomyces gelegt. In Vorversuchen sollte vorab untersucht werden, ob sich die ausgewählten Bakterien‐ (Streptomyces griseochromogenes und Streptomyces viridifaciens) und Pilzstämme (Rhizopus oryzae DSM 907 und 908) für eine anschließende Verwendung zur Biosynthese von modifizierten Mykotoxinen eignen. Die beiden Streptomyces Stämme wurden bisher lediglich zur mikrobiellen Produktion von Phase I‐ und Phase II‐Metaboliten von Pharmazeutika eingesetzt. Daher galt es zu klären, ob die ausgewählten Bakterien auch die im Phase II‐Metabolismus stattfindende Glucosylierung von Mykotoxinen katalysieren. Bei den ausgewählten Pilzstämmen war bekannt, dass sie in der Lage sind, das Mykotoxin Zearalenon zu modifizieren. Insbesondere zeigten Literaturdaten, dass die beiden Pilzstämme (DSM 907 und 908) gegenüber anderen Rhizopus Stämmen vornehmlich die Glucosylierung von Zearalenon katalysieren. In der vorliegenden Arbeit war es daher von Interesse, inwiefern sich die gebildeten Mengen der Zearalenon‐Glucoside für eine Isolierung eignen. Außerdem sollte untersucht werden, ob die beiden Rhizopus Stämme ebenso in der Lage sind andere Mykotoxine zu modifizieren. Die Vorversuche wurden mit den Mykotoxinen Zearalenon (ZEN), Ochratoxin A (OTA), Alternariolmonomethylether (AME) sowie teilweise mit Deoxynivalenol (DON), T‐2 toxin (T2) und HT‐2 toxin (HT2) durchgeführt, indem sie in die jeweiligen Flüssigkulturen der Pilz und Bakterienstämme inkubiert wurden. Anhand der Ergebnisse der Vorversuche wurde die Pilzspezies Rhizopus oryzae für die Biosynthese von vier Mykotoxin‐Glucosiden ausgewählt. Die Mykotoxine ZEN, AME, und OTA wurden durch die Pilzspezies nach drei Tagen in die entsprechenden Glucoside umgewandelt. Aufgrund von höheren Umsatzraten erfolgte die Inkubation von ZEN sowie AME jeweils mit dem Rhizopus oryzae Stamm DSM 907 und im Fall von OTA mit dem Rhizopus oryzae Stamm DSM 908. Die Aufreinigung und Isolierung erfolgte mit Festphasenextraktion und präparativer HPLC. Die finale Identifizierung der Mykotoxin‐Glucoside erfolgte durch 1 H‐NMR‐ sowie 13 C‐NMR‐Spektren. Schließlich wurden unter dem Einsatz von Rhizopus oryzae vier Mykotoxin‐Glucoside, Zearalenon‐14‐0‐ß‐Glucosid (ZEN14G), Zearalenon‐16‐0‐ß‐Glucosid (ZEN16G), Alternariolmonomethylether‐3‐0‐ß‐Glucosid (a ME3G) und Ochratoxin A‐8‐0‐ß‐Glucosid (OTA8G) erhalten. Zudem war Aufgrund der durchgeführten Vorversuche bekannt, dass die beiden Streptomyces Bakteriengattungen die Deacetylierung von T2 zu HT2 katalysieren. Woraufhin in einem weiteren Versuch erstmals gezeigt wurde, dass die beiden Bakterienstämme Streptomyces viridifaciens und Streptomyces griseochromogenes ebenso in der Lage sind das Mykotoxin‐Glucosid T‐2 toxin‐3‐0‐ α‐Glucosid an C‐4 zu deacetylieren und so HT‐2 toxin‐3‐0‐a‐Glucosid herzustellen. Für die Gewinnung von HT‐2 toxin‐3‐0‐a‐Glucosid im mg Maßstab wurde in der vorliegenden Arbeit ein kombiniertes Biosyntheseverfahren von HT‐2 toxin‐3‐0‐a‐Glucosid entwickelt, welches auf der gleichzeitigen Inkubation von T‐2 toxin mit Blastobotrys muscicola und Streptomyces viridifaciens in einem Reaktionsansatz beruht. Mit dieser Methode wurden die drei Mykotoxin‐Glucoside, T‐2 toxin‐3‐O‐α ‐Glucosid (T23G), 15‐Deacetyl‐T2‐3‐0‐a‐Glucosid und HT‐2 toxin‐3‐0‐a‐Glucosid (HT23G) hergestellt sowie isoliert. Bei den beiden im Schweine‐Caecum‐Modell untersuchten Glucosiden T23G und HT23G wurde bereits nach einer 10‐minütigen Inkubation die mikrobielle Spaltung der C‐3 glykosidische Bindung festgestellt. Im Gegensatz zu T23G wurde HT23G in der aktiven Fäzessuspension innerhalb von 10 min vollständig in das entsprechende “Eltem“‐Mykotoxin HT2 gespalten. Die Spaltung von T23G verlief im Vergleich deutlich langsamer ab. Zudem lagen nach 24‐stündiger Inkubation etwa 10% des anfangs applizierten T23G ungespalten vor. T23G wurde zunächst in das “Eltem“‐Mykotoxin T2 gespalten und dann weiter zu HT2 metabolisiert. Aufgrund der Ergebnisse im Schweine‐Caecum‐ Modell ist davon auszugehen, dass im menschlichen Gastrointestinaltrakt ebenfalls eine Spaltung stattfindet, welche zu einer zusätzlichen Exposition der Verbraucher mit freien Mykotoxinen führen kann. Auch die untersuchten Zearalenon‐Glucoside ZEN14G und ZEN16G wurden in der aktiven Fäzessuspension jeweils innerhalb von 10 min vollständig abgebaut. Als einziger Metabolit wurde das freie “Eltern“‐Mykotoxin ZEN nachgewiesen. Innerhalb des gesamten 24‐stündigen Inkubationsprozesses blieben die ZEN‐Konzentrationen konstant und es fand keine weitere Metabolisierung statt. Bei den beiden ZEN‐Glucosiden ließen sich im Schweine‐Caecum‐Modell keine Unterschiede feststellen. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass mit der Nahrung aufgenommenes Zearalenon‐Glucosid im Darm in das “Eltern“‐Mykotoxin ZEN gespalten wird und somit die estrogene Wirkung von ebenso aufgenommenem ZEN verstärken kann. Das im Schweine‐Caecum‐Modell untersuchte Zearalenon‐Sulfat ZEN14S unterlag ebenso einem Abbau durch die Mikrobiota. In den ersten 10 und 20 min Inkubationszeit mit aktiver Fäzessuspension wurde eine geringfügige Spaltung von ZEN14S sowie Freisetzung von ZEN festgestellt. Die weitere Inkubationszeit zeigte eine kontinuierlich abnehmende Konzentration von ZEN14S und auf der anderen Seite eine kontinuierlich zunehmende Konzentration des Spaltproduktes ZEN. Am Ende der 24‐stündigen Inkubationszeit lag ein Großteil des inkubierten modifizierten Mykotoxins ZEN14S gespalten als ZEN (80% ± 10%) vor. Neben ZEN wurden keine weiteren Metaboliten nachgewiesen. Im Vergleich zu den beiden Zearalenon‐Glucosiden ZEN14G und ZEN16G verlief die Spaltung von ZEN14S deutlich langsamer. Jedenfalls zeigen die Ergebnisse, dass die Mikrobiota in der Lage ist, die Sulfatgruppe des modifizierten Mykotoxins ZEN14S effektiv zu spalten. Eine im Darm stattfindende Freisetzung von ZEN trägt somit zu einer zusätzlichen Exposition von Mensch und Tier bei. Die Untersuchung von AME3G im Schweine‐Caecum‐Modell lieferte erste Daten über dessen Metabolismus. AME3G wurde bereits nach 10 min in der aktiven Fäzessuspension vollständig in das freie “Eltem“‐Mykotoxin AME gespalten. Das gebildete AME wurde im weiteren Verlauf nicht weiter verstoffwechselt und dessen Konzentration blieb über die gesamte Zeitspanne von 24 h konstant. Daher wurde von einer Stabilität des AME gegenüber der Mikrobiota in Schweine‐Caecen ausgegangen. Dieses Ergebnis bestätig erneut, dass Mykotoxin‐Glucoside durch die Mikrobiota im Verdauungstrakt in die entsprechenden “Eltem“‐Mykotoxin gespalten werden und somit zur Gesamtmykotoxinbelastung beitragen können. Das ebenso im Schweine‐Caecum‐Modell untersuchte OTA8G wurde innerhalb von 4 h nahezu komplett abgebaut. Bei den folgenden Inkubationszeitspannen wurden nur noch Spuren des modifizierten Mykotoxins OTA8G nachgewiesen. Der entstandene Metabolit OTA war bereits nach einer 10‐minütigen Inkubation in der aktiven Fäzessuspension quantifizierbar. Im weiteren Inkubationsverlauf stieg die OTA‐Konzentration kontinuierlich an und erreichte bei 8h ihr Maximum. Nach 20 h Inkubation in der aktiven Fäzessuspension war nur noch ein Teil des ursprünglich entstandenen OTAs nachweisbar. Stattdessen wurde nach 20 h das Ochratoxin α (OTa) als ein weiterer Metabolit quantifiziert. OTA und OTa lagen am Ende der Inkubationszeit von 24 h beide in ähnlichen Konzentrationsverhältnissen vor. Um den in diesen Inkubationen festgestellten weiteren Abbau von OTA in OTa im Caecum besser zu untersuchen, wurde ebenfalls die Ausgangssubstanz OTA im Schweine‐Caecum‐Modell inkubiert. Auch in diesen Untersuchungen wurde der Abbau zu OTa festgestellt. Der gebildete Metabolit OTa ist im Gegensatz zu OTA nicht toxisch. Daher ist nur die Umwandlung von OTA8G zu OTA für den Menschen toxikologisch bedenklich, denn freigesetztes OTA wirkt im menschlichen Körper als Nephrotoxin sowie mögliches Kanzerogen. Die Ergebnisse der Untersuchungen im Schweine‐Caecum‐Modell zeigen, dass der Organismus nach OT8G Exposition über einen Zeitraum von 8 h mit OTA belastet wird, bevor im weiteren Zeitverlauf ein teilweiser Abbau in das nicht toxische OTα stattfindet. Insgesamt trägt die Aufnahme des modifizierten Mykotoxins OT8G zu einer zusätzlichen OTA Exposition von Mensch und Tier bei. Zusätzlich zu den Untersuchungen im Schweine‐Caecum‐Modell wurde am Beispiel von T23G und ZEN14S eine Spaltung durch saure Katalyse im Magen anhand eines in vitro Magenmodells untersucht. Die Inkubationen in Magensaftsimulanzlösung wurden bei einem pH‐Wert von 2 durchgeführt, um direkt einen großen säurekatalytischen Einfluss zu nutzen. Die beiden modifizierten Mykotoxine erwiesen sich bei pH 2 für die gesamten Inkubationszeiträume von 0 min bis 4 h in Magensaftsimulanzlösung als vollkommen stabil. Aufgrund dieses Ergebnisses muss damit gerechnet werden, dass mit der Nahrung aufgenommene konjugiert vorliegende Mykotoxine, wie T23G und ZEN14S, den unteren Abschnitt des Gastrointestinaltraktes und somit den Darm erreichen können. Zusammenfassend wurden in der vorliegenden Arbeit acht modifizierte Mykotoxine im Schweine‐ Caecum‐Modell untersucht. Hierunter befanden sich sieben Mykotoxin‐Glucoside sowie ein Mykotoxin‐Sulfat. Alle modifizierten Mykotoxine wurden durch die Mikrobiota der Schweine‐Caecen in die entsprechenden “Eltern“‐Mykotoxine gespalten. Hingegen erwiesen sich ein untersuchtes Mykotoxin‐Glucosid sowie ein untersuchtes Mykotoxin‐Sulfat als resistent gegenüber einer säurekatalytischen Spaltung im Magenmodell. Zudem wurde gezeigt, dass sich modifizierte Mykotoxine mit Hilfe von Hefe‐, Pilz‐ und Bakterien‐Spezies im mg‐Maßstab herstellen lassen. Durch die in dieser Arbeit angewandten sowie selbst entwickelten Biosynthesemethoden wurden sechs der untersuchten Mykotoxin‐Glucoside zuvor hergestellt und isoliert. Anhand der Ergebnisse im Schweine‐Caecum‐Modell ist davon auszugehen, dass im menschlichen Dickdarm ebenfalls eine Spaltung von modifizierten Mykotoxinen stattfindet, welche mit einem potenziell erhöhten Gesundheitsrisiko der Verbraucher einhergeht. Eine Abschätzung des von modifizierten Mykotoxinen ausgehenden Risikos sowie die Einbeziehung dieser Verbindungen in die Festlegung von Höchstmengen ist daher von hoher Relevanz für die zukünftige Lebensmittel‐ und Verbrauchersicherheit.